73. Bad Hersfelder Festspiele eröffnet

Wallmann: „Heranwachsende früh ans Theater heranzuführen, ist eine Investition in die Zukunft.“

Am Freitagabend sind im Beisein von geladenen Gästen – darunter Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU), Bad Hersfelds Bürgermeisterin Anke Hofmann (parteilos), Hessens Kulturminister Timon Gremmels (SPD), Bundestagsabgeordneter Michael Roth (SPD), Landrat Torsten Warnecke (SPD) und weiteren Repräsentanten aus der Landes- und Kommunalpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Bertolt Brechts „Die Dreigroschenoper“ die 73. Bad Hersfelder Festspiele eröffnet worden. Die Festrede hielt in diesem Jahr Landtagspräsidentin Astrid Wallmann.

Bad Hersfelds Bürgermeisterin Anke Hofmann verglich die Bad Hersfelder Festspiele in ihrer Festrede in Anlehnung an den Dichter Jean Paul mit „dem Wein des Lebens“, der das symbolisiert, der unser Leben reich, lebenswert und wunderschön macht und unsere aller Herzen berührt. „Er steht für das Besondere, das uns innehalten lässt und uns Momente der Freude und der Überraschung schenkt. Ich empfinde die Kunst, die wir hier in der Ruine erleben, als den Wein, der unser Leben veredelt“, sagte Bürgermeisterin Anke Hofmann anlässlich der Eröffnung der 73. Bad Hersfelder Festspiele am Freitagabend in der Stiftsruine. Insbesondere in einer Welt wie der heutigen, die oft von Hektik, Oberflächlichkeiten und Unsicherheiten geprägt ist, brauche man jene Momente der Besinnung und der Inspiration. „Kunst ist mehr als bloße Unterhaltung. Sie ist ein Fenster zur Seele und ein Spiegel unserer Zeit“, so Hofmann weiter. Demnach lebe Kunst von der Vielfalt der Stimmen und Perspektiven, die sie zum Ausdruck bringe und sie fordert uns heraus, über uns selbst und unsere Gesellschaft nachzudenken. Ihren persönlichen Dank richtete Bürgermeisterin Hofmann an den Bund, das Land Hessen und den Landkreis Hersfeld-Rotenburg ohne die Festspiele nicht das seien, was sie heute sind. Ein weiterer Dank galt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinter den Kulissen sowie den Darstellerinnen und Darstellern. „Unsere Festspiele sind ein Ort, an dem wir gemeinsam lachen, weinen und staunen können. In einer Zeit, in der unsere Welt mit vielen Herausforderungen konfrontiert ist, zeigen sie uns, dass es möglich ist, Brücken zu bauen und neue Perspektiven zu gewinnen. Mögen die kommenden Wochen geprägt sein von der Zauberkraft der Bühne, der Kraft der Worte und der Freude am gemeinsamen Erleben“, so Bad Hersfelds Bürgermeisterin Anke Hofmann in ihrer Rede abschließend.

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann hob in ihrer Festrede die Bedeutung der Bad Hersfelder Festspiele als einzigartige Kulturstätte hervor. Insbesondere Kinder und Heranwachsende bereits in jungen Jahren ans Theater heranzuführen, sei eine lohnende Investition in die Zukunft. Ministerpräsident Boris Rhein bezeichnete die Bad Hersfelder Festspiele in seiner Rede als herausragendes Kulturgut in Deutschland. „Die Bad Hersfelder Festspiele sind ein Segen für die schönen Künste. Für die kommenden zwei Monate verwandelt sich die historische Stiftsruine in einen einmaligen Pilgerort für Kulturliebhaber. Auch in diesem Jahr erwartet die Besucherinnen und Besucher in Bad Hersfeld – dem ‚Salzburg des Nordens‘ – wieder ein unvergleichliches Theatererlebnis mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern“, sagte Rhein am Freitag bei der Eröffnung der 73. Bad Hersfelder Festspiele. Vom 21. Juni bis 27. August werden in Bad Hersfeld unter anderem „Die Dreigroschenoper“, „Das kleine Gespenst“ und „A Chorus Line“ aufgeführt. Geleitet werden die Festspiele auch in diesem Jahr von Intendant Joern Hinkel. Das Land Hessen fördert die Festspiele mit 770.000 Euro. Der Regierungschef verwies darauf, dass eine lebendige Demokratie eine freie und vielfältige Kultur brauche. „Schauspiel soll nicht nur unterhalten, sondern gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen auch kritisch reflektieren“, sagte Rhein. Nicht umsonst sei die Kunstfreiheit eine der ersten Freiheiten, die Diktaturen zerstörten. „Ich bin froh, dass die Kunstfreiheit in Deutschland seit nunmehr 75 Jahren durch das Grundgesetz geschützt ist. Die Bad Hersfelder Festspiele zeigen seit Jahrzehnten, von welchem Wert eine freie Kunst ist.“ Ferner verwies Rhein auf Bertolt Brecht als Begründer des Epischen Theaters. Demnach sei Theater nicht nur als sentimentale Kunstform zu werten, sondern – und gerade vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage – kritisch zu hinterfragen.

Regisseur Michael Schachermaier bringt für seine Arbeit bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen vielfältige Erfahrungen mit: Er hat bereits Sprechtheater, Kinder- und Jugendtheater, künstlerische Cross Over Projekte, Musikalisches Unterhaltungstheater und auch Oper an Häusern wie dem Burgtheater Wien, dem Volkstheater Wien, dem Saarländischen Staatstheater, dem Landestheater Linz, dem Theater Freiburg, dem Landestheater Salzburg oder dem Theater Oberhausen inszeniert. Schachermaier ist Musiktheater genauso zuhause wie im Sprechtheater. „Es gibt für ihn keinen Unterschied zwischen der sogenannten ‚ernsten‘ und der ‚unterhaltsamen‘ Kunst und er hat einen liebenden Blick auf die Figuren seiner Stücke“, so Festspielintendant Joern Hinkel über den Regisseur. Hinkel weiter: „Ich bin überzeugt, dass das der Inszenierung einer Dreigroschenoper besonders guttut. Denn wie leicht ist es, in eine ‚Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht‘- Falle zu tappen. Wenn dem Publikum zwar die Musik gefällt, aber die Charaktere auf der Bühne fremd und kalt erscheinen, wenn man auf Distanz zu ihnen geht, funktioniert die Geschichte in meinen Augen nicht. Ich bin glücklich, einen so emotionalen, mitreißenden Regisseur für unsere Eröffnungs-Premiere gewonnen zu haben – der noch dazu mit den ganz besonderen Anforderungen der Stiftsruine von früheren Produktionen in Bad Hersfeld bestens vertraut ist.“ „Die Rückkehr in die Stiftsruine ist für mich zugleich die Rückkehr zu meinen eigenen künstlerischen Wurzeln. Nach fast 20 Jahren und zahlreichen Opern- und Schauspielproduktionen in Deutschland und Österreich freue ich mich sehr auf die spannende Aufgabe, die `Dreigroschenoper´ in der Stiftsruine und ihrer einzigartigen Atmosphäre zu inszenieren. Es ist für mich wie eine Zeitreise in die Vergangenheit und Zukunft“, sagt Michael Schachermaier über seine wiederholte Arbeit im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele. „Die Dreigroschenoper ist ein vielseitiges, funkelndes dramatisches Sammelsurium“, so Regisseur Michael Schachermaier, „eine Farce, eine Revue, eine Liebesgeschichte, Sex and Crime, eine Gangsterballade, eine Big Show unter dem Mond von Soho. Es ist humorvoll, dreckig, sexy, glamourös, düster und funkelnd zugleich. Es soll die Besucher in ein Gangster- Universum abholen und ihnen ein vielseitiges Theatererlebnis bescheren. Vor allem aber sind es die schillernden Figuren und die sprühende Musik, die diese Geschichte zu einem spannenden Musik-Theatererlebnis machen. Eine große Geschichte für die große Bühne von Bad Hersfeld.“

Schachermaier weiter: „Wir haben hier die Chance, das Stück auch musikalisch neu zu denken. Ich habe mit dem musikalischen Leiter Lukas Maier und einer großartigen Band die Möglichkeit, den Sound so zu greifen, wie man ihn in einem normalen Theater nicht hören würde. Unser Konzept ist für Open-Air gedacht. Musik, Kostüme und Bühne sind wesentliche Spielpartnerinnen in dieser Inszenierung. Mich freut es, dass es uns gelingt, musikalisch rotzig und dreckig zu sein, aber trotzdem fordernd und rockig.“ Für die Rolle des Macheath, genannt Mackie Messer, kehrte Hersfeldpreisträger Simon Zigah in die Festspielstadt zurück. Er hat von 2006 bis 2009 zum Ensemble gehört und seitdem eine großartige Theaterkarriere hingelegt. An seiner Seite spielt Gioia Osthoff, die in „Die Dreigroschenoper“ die Rolle der Polly Peachum, die Tochter des Bettlerkönigs, verkörpert. Die beiden heiraten heimlich und damit bricht der Konflikt zwischen den Rivalen Peachum und Macheath offen aus. „Polly macht in diesem Panoptikum der Gangster die größte Entwicklung durch, von der ahnungslosen Tochter aus gutem Hause bis zur ausgefuchsten, mit allen Wassern gewaschenen Geschäftsfrau, bereit, bald selbst über Leichen zu gehen“, charakterisiert Michael Schachermaier die Rolle. In weiteren Rollen waren Götz Schulte (Jonathan Jeremia Peachum), Katharina Pichler (Celia Peachum), Anna Loos (Jenny), Oliver Urbanski (Tiger Brown), Laura Dittman (Lucy), Bijan Zamani (Pastor Kimball, Filch, Smith), Simon Jaritz-Rudle (u.a. Münzmatthias), Raphael Kübler (u.a. als Trauerweidenwalter), Andrés Mendez (u.a. Hakenfingerjakob), Enrico Riethmüller (Ede) und Uriel Jung (Jimmy und anderen Nebenrollen) bei der Eröffnungspremiere von „Die Dreigroschenoper“ zu sehen.

Ministerpräsident Rhein und Landtagspräsidentin Wallmann verließen die Stiftsruine kurz nach dem offiziellen Festakt, in dessen Rahmen sie sowie Minister Timon Gremmels sich im Goldenen Buch der Stadt Bad Hersfeld verewigten. Andere Abgeordnete wie beispielsweise die heimische CDU-Landtagsabgeordnete Stefanie Klee (Wahlkreis 11) hingegen blieben bis zum Schluss. +++ pm/ja