Asylverfahren: Migrationsforscher Knaus begrüßt Wüst-Vorschlag

Auch SPD-Abgeordnete für Asylverfahren in Afrika

Der Architekt des EU-Türkei-Abkommens, der Migrationsforscher Gerald Knaus, hat die jüngsten Asyl-Vorschläge von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begrüßt. Er glaube, dass Wüst` Vorschlag von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas sinnvoll sei, sagte Knaus am Dienstag dem TV-Sender „Welt“. Nun müsse man sich aber endlich auch politisch trauen, die grundsätzlich richtige Idee bei der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz in die Praxis umzusetzen, so Knaus. „Das ist sinnvoll. Jetzt geht es aber darum, von der Theorie hinzukommen zu konkreten Resultaten, und zwar sehr, sehr schnell.“

Der Koalitionsvertrag der Ampel erlaube ausdrücklich, dass in Ausnahmefällen Asylverfahren auch in Drittstaaten außerhalb der EU durchgeführt werden können – und „wir haben heute einen Ausnahmefall im zentralen Mittelmeer“, so Knaus. Bei der MPK müsse man nun einen gemeinsamen politischen Willen demonstrieren: „Ich hoffe, wie der Ministerpräsident, dass es nächste Woche bei den Gesprächen zwischen dem Bundeskanzler und den Ländern – und dann letztlich ja natürlich auch politisch zwischen der Ampel und der Opposition – dazu kommt, dass man sagt: `Wir wollen dieses Prinzip, dass wir irreguläre Migration ohne Bruch der Menschenrechte durch Kooperation stark und schnell reduzieren, anhand von konkreten Ländern jetzt ausprobieren. Und wir sind bereit, zusammen diesen Ländern auch Angebote zu machen, die dazu führen, dass solche Abkommen schnell geschlossen werden können. Das ist der Schlüssel.“ Deutschland sei bei der Umsetzung der Idee „nicht angewiesen auf die gesamte EU“, so Knaus. „Um das Prinzip auf die Bahn zu bringen und die Verhandlungen zu beginnen, darf sich Deutschland nicht wieder hinter einer unmöglichen gesamteuropäischen Lösung verstecken. Tut das die Regierung, dann wird das Scheitern und dann ist das letztlich auch nur eine Ausrede.“ Es gebe außerdem viele Länder, die ähnliche Interessen hätten, etwa Schweden, die Benelux Staaten, Österreich, die Schweiz und Frankreich. Verfahren in Drittstaaten seien auch nichts humanitär Fragwürdiges, sondern menschlicher als etwa Rückführungsabkommen mit Libyen, findet Knaus: „Gerade alle die, die Bauchweh haben bei dem Gedanken, die Asylverfahren in Drittstaaten zu machen, muss man immer daran erinnern, was wir jetzt haben: Wir haben jetzt seit über 6 Jahren eine unmenschliche, unmoralische, intensive Kooperation mit Libyen, wo Menschen zurückgebracht werden, auch finanziert von der EU. Das heißt auch von Deutschland.“ Drittstaaten wie zum Beispiel Ruanda kümmerten sich hingegen viel besser um gerettete Flüchtlinge, was für viel Lob vom UNHCR sorge. Es sei auch eine Möglichkeit, die Asylverfahren in Drittländern nicht von den Staaten selbst, sondern vom UNHCR machen zu lassen, um Menschenrechtsbedenken auszuräumen. Eines ist für Knaus jedenfalls klar: Die laufende EU-Asylrechtsreform sei keine Alternative zur Antragsstellung außerhalb der EU: „Was auf Brüsseler Ebene diskutiert wird, hat keinerlei Chance, irgendetwas zu verändern. Und alle, die sich die Reform genauer angeschaut haben, wissen das – inklusive die meisten europäischen Regierungen. Das Argument in Brüssel, diese Reform irgendwie zu einem Abschluss zu bringen, ist eigentlich nur, dass man jetzt schon so lange verhandelt hat. Man will nicht mit leeren Händen dastehen, aber bewirken wird das nichts. In dieser Brüsseler Reform ist keine Antwort auf die Schlüsselfrage, wie man dafür sorgt, dass weniger Menschen in Boote steigen und weniger Menschen sterben.“

Auch SPD-Abgeordnete für Asylverfahren in Afrika

Der Vorstoß von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Asylverfahren von illegal nach Deutschland eingereisten Migranten künftig nach Afrika auszulagern, stößt auf Zustimmung auch bei SPD-Bundestagsabgeordneten. Die Abgeordneten Frank Schwabe, Lars Castellucci und Fabian Funke, die unterschiedliche Strömungen von links bis progressiv vertreten, haben nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ in den vergangenen Tagen unabhängig vom Wüst-Vorstoß einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet, der in der Fraktion der Kanzlerpartei beraten werden soll. Am kommenden Montag ist ein Bund-Länder-Gipfel zu dem Flüchtlingsthema geplant. Intern wird gesagt, es brauche einen grundlegenden Plan, damit irreguläre Migration nachhaltig eingedämmt wird, auch wegen des AfD-Höhenflugs und dem drohenden Kippen der Stimmung in Deutschland. „Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir beides. Das Recht auf Asyl und die politische Handlungsmacht“, sagte Schwabe der SZ. Viele der aktuell diskutierten Maßnahmen seien nur „untaugliches Flickwerk ohne große Wirkung auf die Zahlen“. Daher brauche es rasch eine Verständigung mit den Herkunftsstaaten, mit denen das gehe. „Zum Konzept gehört auch, dass Ertrinkende staatlich gerettet und an Grenzen nicht mehr verprügelt werden. Aber das Asylverfahren wird eben nicht mehr in Europa durchgeführt. Wer an den Außengrenzen ankommt, dessen Asylverfahren wird außerhalb Europas durchgeführt“, so Schwabe. Das werde dazu führen, dass diejenigen nicht mehr über diesen Weg kommen, da sie wissen, „dass das Asylverfahren der falsche Weg ist, in Europa leben zu können.“ Die Grundbedingung seien maximal rechtsstaatliche Verfahren und Rahmenbedingungen in der Verantwortung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Funke ergänzte, es brauche vor allem sichere Migrationswege. Das gehe nur durch mehr reguläre Migration, etwa um den Fachkräftebedarf zu decken – „und die Möglichkeit von Asylverfahren außerhalb Europas“. Das Sterben i m Mittelmeer zu beenden, sei Grundlage einer humanen Migrationspolitik. Immer wieder wird auch in der SPD nun an das umstrittene – und von einem Londoner Gericht zunächst gekippte – Abkommen von Großbritannien mit dem ostafrikanischen Ruanda getroffene Abkommen erinnert, wo Asylbewerber aus Großbritannien hin abgeschoben wurden, um dort das Asylverfahren zu durchlaufen. Sind die vorgebrachten Gründe zutreffend, kann dann auch Asyl in Großbritannien gewährt werden. Ziel der Überlegungen ist es, Menschen durch die fehlende Aussicht von einem Asylverfahren in Deutschland oder anderen EU-Staaten von der Flucht abzuhalten und so das Geschäftsmodell von Schleppern zu zerstören – die Partnerstaaten würden für die Unterbringung und Asylverfahren finanzielle Gegenleistungen bekommen. Castellucci betonte, es gehe hier nicht um „Lager in Afrika“. „Die Kooperation mit Drittstaaten ist eine Einladung, gemeinsam mit den europäischen Staaten, dem UNHCR und Hilfsorganisationen zu mehr rechtsstaatli chen Asylverfahren und Flüchtlingsschutz auf der Welt zu kommen“, so Castellucci. „Unabhängig davon muss die Steuerung nicht nur der Migration, sondern auch die der Integration verbessert werden“, sagte der SPD-Politiker. Die laufende Diskussion über Rückführungen verstelle völlig den Blick für die eigentliche Zukunftsfrage, nämlich wie man die Einwanderung erreiche, die es für den deutschen Arbeitsmarkt dringend benötige. „Eine App wie für die ukrainischen Geflüchteten in allen relevanten Sprachen, flächendeckend Willkommenszentren und bessere Koordination auch von Seiten des Bundes tun Not.“

Grüne lehnen Wüst-Vorschlag für Asylverfahren außerhalb der EU ab

Die Grünen haben den jüngsten CDU-Vorschlag in der Migrationsdebatte zur Einrichtung außereuropäischer Asylzentren als unrealistisch bezeichnet und zurückgewiesen. „Mich verwundert schon, dass sich die Union als christliche-konservative Partei so leicht damit tut, Lösungen zu vertreten, die nicht dem EU-Recht entsprechen und das Recht auf Asyl faktisch aushebeln sollen“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“ (Mittwochausgaben). „Die Arbeit an realistischen, rechtskonformen Lösungen ist natürlich intensiver als die Produktion von Überschriften ohne Substanz, aber sie wäre der Findung konstruktiver Lösungen zuträglicher“, sagte sie. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte vorgeschlagen, man solle Flüchtlinge nach einem Aufgreifen in Europa in Partnerländer entlang der Fluchtrouten bringen, „damit dort Verfahren und Schutzgewährung nach rechtsstaatlichen Rege ln stattfinden“. +++