Hertie-Stiftung würdigt Engagement für junge Autisten

Frauen-Duo ausgezeichnet

Lea Beran und Marina Röhrig erhielten von Eva Koch (von links) den Hertie-Preis. Auch Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) gratulierte. Mit auf dem Foto ist Sophia Röhrig. Foto: Stadt

Besondere Auszeichnung für Marina Röhrig und Lea Beran aus Schlüchtern: Die renommierte gemeinnützige Hertie-Stiftung würdigt deren hervorragenden Einsatz für Kinder und Jugendliche im Autismus-Spektrum. Der Preis für ihr Engagement und ihre Selbsthilfe ist mit 5000 Euro dotiert.

Die beiden jungen Frauen haben selbst hautnah erlebt, wie ein autistisches Kind das Leben in ihrer Familie beeinflusst und verändert. Nach der ärztlichen Diagnose wollten sie sich nicht tatenlos ihrem Schicksal ergeben. Sie wurden selbst aktiv, wollten mehr wissen über das Autismus-Spektrum und wie man Menschen mit Autismus bestmöglich helfen kann. Sie besuchten einen Lehrgang und legten die Prüfung zur „Fachberaterin für Menschen mit Autismus“ ab, ferner auch die zertifizierte Weiterbildung „Autismus lesen lernen“.
Irgendwann wagten sie den Schritt, eine eigene Selbsthilfegruppe zu gründen. Im Februar 2021 war der Start für „Autismus im MKK“. Regelmäßig trafen sich Betroffene und Angehörige zum Austausch von Gedanken und Erfahrungen, um sich gegenseitig Mut zu machen und Handlungsstrategien für den Alltag zu erarbeiten.

Irgendwann kam aus der Gruppe der Wunsch, eine eigene Autismus-Gruppe für Kinder und Jugendliche ins Leben zu rufen. Zunächst schauten sich die beiden Frauen einen solchen Zusammenschluss in Maintal an, um Ideen zu sammeln. Im Januar 2023 fand dann das erste Treffen von „TimeAut“ in Schlüchtern statt. Ziel ist es, für junge Menschen mit Autismus einen Raum und eine Umgebung zu schaffen, wo sie sich nicht „anpassen müssen“, sondern so sein können wie sie sind und somit in einem für sie stressfreien Umfeld leben können. Auf diese Weise können die Betroffenen eine gute Zeit haben, miteinander spielen und reden, einander kennenlernen und gemeinsam die Freizeit gestalten, beispielsweise durch sportliche Aktivitäten oder Besuche im Kino oder Fußballstadion. In der Summe wird auf diese Weise die soziale Interaktion der Betroffenen gefördert und die Teilhabe in der Gesellschaft ermöglicht.

„Das sind die perfekten Preisträger“, lobte Dr. Eva Koch, Leiterin Multiple-Sklerose-Projekte bei der Hertie-Stiftung, die beiden Frauen. Bei anderen Projekten stünden oft große Organisationen dahinter. Im Schlüchterner Fall handele es sich um ein klassisches Selbsthilfeprojekt. Aus eigener Betroffenheit engagierten sich die beiden. Für Außenstehende sei nicht erkennbar, was die Ehrenamtlichen hier alles leisten. Die Bewerbung des Duos habe sie sehr berührt, erklärte Eva Koch. Vier Organisationen wurden im Jahr 2023 ausgezeichnet und mit insgesamt 25000 Euro bedacht. Erst jetzt vor wenigen Tagen im Jahr 2024 wurde die Ehrung für Marina Röhrig und Lea Beran vorgenommen – und zwar in Schlüchtern.

Die Aufmerksamkeit solle bewusst vor Ort auf die Ausgezeichneten gerichtet und damit die Sichtbarkeit ihres Engagements erhöht werden, betonte Koch. Deswegen hatte sie sich im Vorfeld an Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) gewandt. Der griff die Idee sofort auf und lud für eine Feierstunde ins Rathaus ein. Er sprach den Geehrten ein „großes Kompliment“ aus: „Unsere Gesellschaft braucht Menschen wie sie.“ Es sei sehr lobenswert, wie die beiden ihre Kraft über die eigene Familie hinaus für die Betroffenen aufbringen. Gerade in den gegenwärtigen Zeiten sei es äußerst wichtig, Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich in Vereinen und Gruppen für die Allgemeinheit engagieren. Möller lud dazu ein, die Selbsthilfegruppe „TimeAut“ fest im neuen Kultur- und Begegnungszentrum zu verorten. Ein Angebot, dass die beiden Damen gerne annahmen. Und er übergab ihnen nicht nur Blumensträuße, sondern auch Schlüchterner Einkaufsgutscheine als Dank für ihr Wirken. +++