Historikerin kritisiert geringen Einsatz von Merkel für Ostländer

Ostbeauftragter sieht Standortvorteile für Investoren

Die langjährige Kanzlerin Angela Merkel (CDU)

Die Historikerin Christina Morina hat kurz vor dem Tag der deutschen Einheit die langjährige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Aufstieg der AfD in Ostdeutschland mitverantwortlich gemacht. „Angela Merkel hätte mehr tun müssen, um den Aufstieg der AfD einzudämmen, der in ihrer Amtszeit passierte – weil sie besser Bescheid wusste“, sagte die in Bielefeld lehrende Professorin dem „Tagesspiegel“.

Erst am Ende ihrer vierten Amtszeit habe die in der DDR aufgewachsene Merkel die demokratiepolitische Lage im Osten klar angesprochen. „Das war zu spät“, meinte die Wissenschaftlerin und fügte hinzu: „Angesichts ihrer gründlichen Kenntnis Ostdeutschlands hätte ich erwartet, dass sie die Demokratieentwicklung dort konkreter, dezidierter zur Regierungsaufgabe macht.“ Die in Ostdeutschland aufgewachsene Historikerin hat gerade das Buch „Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980e-Jahren“ vorgelegt.

Ostbeauftragter sieht Standortvorteile für Investoren

Die ostdeutschen Bundesländer haben nach Ansicht des Ostbeauftragten der Bundesregierung gegenüber Westdeutschland derzeit entscheidende Standortvorteile für große Investoren. „Wir machen keinen Nachbau West mehr, sondern gehen in vielen Bereichen voran. Große Investoren wollen dorthin, wo sie schnelle Genehmigungen bekommen, wo sie ausreichend Fläche vorfinden und vor allem wo sie den besten Zugang zu erneuerbaren Energien haben“, sagte Staatsminister Carsten Schneider (SPD) der „Rheinischen Post“. „Das Wachstum kommt durch neue Technologien, etwa der Tesla-Produktion in Brandenburg“, sagte der SPD-Politiker. „Die Main-Linie ist mittlerweile die Grenze für große industrielle Investitionen: nördlich des Mains, in Nord- und in Ostdeutschland, werden neue Industrien aufgebaut“, sagte er. „Bayern und Baden-Württemberg haben beim Ausbau der erneuerbaren Energien lange geschlafen, jetzt rächt sich das“, so Schneider. „Ich finde es gut, das s Ostdeutschland auf der Überholspur ist“, sagte der Staatsminister. Er verteidigte hohe staatliche Subventionen für neue Chipfabriken gegen Kritik. „Wir brauchen mehr technologische Souveränität für Europa, also weniger Abhängigkeit von anderen Ländern bei Kernfragen europäischer Sicherheit und strategischen Investitionen“, sagte Schneider. Bei den Ansiedlungen in Dresden und Magdeburg handele es sich aber um unternehmerische Entscheidungen „für die besten Standorte“. Ostdeutschland sei „auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig: in Dresden ist der Kern und das Ökosystem der deutschen Halbleiterproduktion und in Magdeburg gibt es große Flächen und einen Überschuss an erneuerbaren Energien.“

Ostbeauftragter will staatliches Startkapital für alle 18-Jährigen

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, fordert zur Bekämpfung der Vermögensungleichheit ein staatliches Startkapital von bis zu 20.000 Euro für jeden 18-Jährigen in Deutschland. „Ich unterstütze die Idee eines Grunderbes: Alle 18-Jährigen sollen bis zu 20.000 Euro als Startkapital vom Staat bekommen“, sagte Schneider der „Rheinischen Post“. „Finanzieren könnte der Staat das mit einer höheren Erbschaftsteuer für angehende Erbmillionäre. Das würde helfen, die Vermögensungleichheit zwischen Arm und Reich etwas zu verringern“, sagte der SPD-Politiker. Das Modell des Grunderbes war unlängst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) entwickelt worden. Vor allem Menschen in Ostdeutschland verfügten über deutlich weniger Vermögen als Westdeutsche, so Schneider. Bei den Einkommen gebe es noch die Chance einer Angleichung. „Regionale Unterschiede wird es immer geben“, fügte der SPD-Politiker hinzu: „Und wir werden eine weitere Lohnangleichung sehen. Es gibt jetzt eine selbstbewusstere ostdeutsche Arbeitnehmerschaft, die sich nicht mehr mit Billiglöhnen abspeisen lässt. Die Fachkräfte sind auch im Osten knapp, Arbeitgeber werden also höhere Löhne zahlen müssen.“

Linke verlangt Ostdeutschland-Gipfel im Kanzleramt

Vor dem Tag der Deutschen Einheit fordert Linksfraktionschef Dietmar Bartsch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, ein Spitzentreffen zu Ostdeutschland einzuberufen. „Die Unzufriedenheit im Osten kocht über“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Es braucht einen Ostdeutschland-Gipfel im Kanzleramt.“ Die Bundesregierung müsse „eine spürbare Wende ihrer Politik hinlegen, wenn es nicht ein politisches Desaster bei den Landtagswahlen im Osten im kommenden Jahr geben soll“. 2024 wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Nötig sei eine „konsequente Anti-Inflationspolitik, die alles unterlässt, was das Leben verteuert, und alles unternimmt, um die Preise zu senken, insbesondere bei Lebensmitteln und Energie“, sagte Bartsch. Zudem müssten die Löhne in Ost und West bis 2025 angeglichen werden und das Rentensystem reformiert werden. „Ein Rentensystem ähnlich wie in Österreich, wo Rentner durchschnittlich 800 Euro mehr bekommen als hierzulande, ist notwendig.“ In einem Sieben-Punkte-Papier zum Tag der Einheit fordert die Linksfraktion unter anderem eine „zusätzliche, einmalige und außerordentliche Rentenerhöhung um zehn Prozent als Inflationsausgleich“ für alle Rentner zum 1. Januar. Zudem dürfe die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme nicht von derzeit sieben auf 19 Prozent erhöht und der CO2-Preise dürfe zum 1. Januar ebenfalls nicht angehoben werden. Für Lebensmittel fordert die Linke staatliche Preiskontrollen. +++