Lindner wirft Regierung „Politikversagen mit Ankündigung“ vor

Thüringens Innenminister lehnt 15-Kilometer-Regel ab

Christian Lindner (FDP)

FDP-Chef Christian Lindner hat der Bundesregierung vorgeworfen, zu spät auf steigende Corona-Fallzahlen in den vulnerablen Gruppen reagiert zu haben. „Dass unsere Vorschläge und die Maßnahmen, die auch von Praktikern und Experten vorgeschlagen worden sind, so spät umgesetzt worden sind, das ist für mich Ausdruck eines Politikversagens mit Ankündigung“, sagte Lindner am Mittwoch beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. Der Termin findet dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie nur digital statt. Jetzt sei man in einer Phase der Pandemie, in der eine „Notbremse“ gezogen werden musste, so der FDP-Chef.

„Es geht kein Weg daran vorbei, wir müssen weiter Kontakte beschränken, Abstand halten, Maske tragen, die Warn-App nutzen, lüften – einfach umsichtig sein.“ Man sehe aber auch, dass es trotz der Maßnahmen einen besorgniserregenden Verlauf der Pandemie gebe. Insbesondere bei den besonders gefährdeten älteren Menschen sehe man da s. Die am Dienstag von Bund und Ländern beschlossenen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen kritisierte der FDP-Vorsitzende. Die Freiheitseinschränkungen seien „vielfach nicht verhältnismäßig“, aber auch oft nicht „praxistauglich“. Kontaktbeschränkungen seien grundsätzlich sinnvoll. Ein Bewegungsradius von 15 Kilometern helfe aber zum Beispiel nicht weiter, da das Infektionsrisiko nicht durch die Strecke, sondern durch den Kontakt mit anderen Menschen bestimmt werde.

FDP-Generalsekretär kritisiert Einschränkung der Bewegungsfreiheit

FDP-Generalsekretär Volker Wissing hat juristische Zweifel daran geäußert, dass der Bewegungsradius von Menschen in Gebieten mit hohen Infektionszahlen auf 15 Kilometer eingeschränkt werden darf. Die Bewegungsfreiheit sei ein hohes Gut, deshalb müsse man prüfen, ob die Einschränkung verfassungskonform sei, sagte Wissing am Mittwoch im RBB-Inforadio. „Ich halte die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für eine sehr schwierige Maßnahme, zumal sich das sehr unterschiedlich auswirkt auf die Menschen. Wenn Sie in Berlin leben, haben Sie praktisch keine Einschränkungen. Wenn Sie auf dem Land, in der Fläche leben, und das nächste Dorf 15 Kilometer entfernt ist, dann sind Sie quasi aufs Dorfleben reduziert.“ Das sei eine massive Freiheitsbeschränkung und ob das verfassungskonform sei, da habe er „erhebliche Zweifel“. Wissing erneuerte außerdem seine Kritik am Auftakt der Impfkampagne. „Die Vorgänge um die Impfstoffbeschaffung“ müssten „umfassend aufgeklärt“ w erden. Wenn die Bundesregierung „nicht von sich aus bereit ist, hier volle Transparenz herzustellen, muss mit parlamentarischen Mitteln aufgeklärt werden – im Zweifel auch mit einem Untersuchungsausschuss“.

Thüringens Innenminister lehnt 15-Kilometer-Regel ab

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hat sich gegen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Bürgern auf einen Radius von 15 Kilometern ausgesprochen, wie ihn die Ministerpräsidenten am Dienstag mit der Kanzlerin vereinbart hatten. „Man kann die Einschränkung nicht flächendeckend kontrollieren, sondern nur stichprobenartig“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Deshalb habe er sich dagegen ausgesprochen – „ganz abgesehen von den psychologischen und praktischen Nebenwirkungen einer solchen Regelung“. Zuvor hatten bereits Polizeigewerkschafter Zweifel an der Durchsetzbarkeit geäußert. Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte dem RND: „Die 15-Kilometer Regelung erscheint uns nicht als sinnvolle Maßnahme.“ Sie dürfe daher „nur als Empfehlung formuliert“ sein. Nach Informationen des RND geht die Regelung nicht zuletzt auf Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) zurück. Er wiederum wollte sie, weil Bürger aus Sachsen wegen der dortigen Beschränkungen zuletzt teilweise nach Thüringen ausgewichen waren. +++