Merz fordert Abgrenzung gegenüber harten Corona-Kritikern

Corona-Kritiker aus Innenministerium sorgt weiter für Wirbel

Friedrich Merz (CDU)

Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz fordert eine härtere Abgrenzung gegenüber radikalen Kritikern des Kurses der Bundesregierung. „Ich finde den sich andeutenden Stimmungswechsel sehr beunruhigend“, sagte Merz dem „Spiegel“. Und weiter: „Viele Menschen finden kaum noch Institutionen, an denen sie sich festhalten können.“ Gerade deshalb dürfe die Politik jetzt nicht zu defensiv kommunizieren. „Wir alle müssen denen, die jetzt versuchen, mit kruden Verschwörungstheorien verunsicherte Milieus einzufangen, viel klarer und härter entgegentreten“, so Merz.

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) äußerte unterdessen Verständnis für die Proteste. Es solle nicht im Ansatz der Eindruck entstehen, hier werde etwas unterdrückt, sagte Kretschmer dem „Spiegel“. Die Regierung sei demokratisch gewählt, wer etwas gegen die Corona-Maßnahmen habe, der „soll das in einer vernünftige Art und Weise zu jedem Zeitpunkt sagen können“. Tilman Kuban, Chef der Jungen Union, forderte, die Kritiker ernst zu nehmen und das Krisenmanagement besser zu erklären. Er wolle „eine offene Debattenkultur“, sagte Kuban dem „Spiegel“. Norbert Röttgen, Bewerber um den CDU-Parteivorsitz, sieht auch die Kanzlerin in der Verantwortung. „Merkel ist lange als Schutzwall wahrgenommen worden“, sagte er dem „Spiegel“. Sie habe das über mehrere Wochen „sehr gut“ gemacht. „Aber sie saß dann vielleicht etwas in der rationalistischen Falle. Sie zieht ihren Kurs konsequent durch und hätte dabei die Stimmungsveränderung antizipieren und etwas aufnehmen müssen. So war sie der Stimmungsmache der Lockerungsrufer ausgeliefert“, so Röttgen.

Corona-Kritiker aus Innenministerium sorgt weiter für Wirbel

In Teilen der CDU stößt der Umgang von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit einem Beamten, der in einem Papier den Corona-Kurs der Bundesregierung kritisiert hat, auf Kritik . „Die Grundaussagen des Papiers, dass die Gefährlichkeit des Coronavirus überschätzt wird, teile ich komplett“, sagte die sächsische Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann (CDU) dem „Spiegel“. Der Beamte habe im Grunde bloß seinen Job gemacht. „Dass er dafür vom Innenministerium als Wirrkopf dargestellt wird, irritiert mich. Damit befeuern wir die Verschwörungstheorien ja noch.“ Sie erwarte schon, dass man sich ernsthaft mit seinen Thesen auseinandersetze. Auch in der jüngsten Unionsfraktionssitzung war der Fall Thema, berichtet der „Spiegel“. Es wurde davor gewarnt, die Sichtweise des Beamten zu ignorieren. Werde das Papier als Werk eines Irren abgestempelt, sei das „Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker“, wird der Digitalexperte Christoph Bernstiel aus Sachsen-Anhalt zitiert. Seehofers Staatssekretär Günter Krings (CDU) wandte sich in der virtuellen Sitzung demnach entschieden dagegen, das Papier des BMI-Beamten ernsthaft zu behandeln. Wenn man beginne, solche Papiere zu analysieren, „dann können wir demnächst auch die Jungs mit den Aluhüten zu den Bundestagsanhörungen einladen“, wird Krings zitiert. Seehofer verteidigt das Vorgehen seines Ministeriums gegen den Beamten. „Jeder weiß, dass ich ein hohes Maß an Liberalität im Hause pflege. Ich habe deshalb kein Problem damit, dass er seine Meinung hat, die er vertritt“, sagte der CSU-Politiker dem „Spiegel“. Nicht in Ordnung sei, „dass er die Infrastruktur und den Briefkopf des Ministeriums verwendet hat, um den Eindruck zu erwecken, es sei die Meinung des Ministeriums. Bei aller Liberalität gibt es ja auch noch Loyalität.“

Klingbeil warnt vor Unterschätzung von Corona-Protesten

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnt davor, die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zu unterschätzen. Er verstehe jeden, der verunsichert sei, und er diskutiere mit Bürgern, die an Verschwörungstheorien glauben, sagte Klingbeil dem Magazin. Sein Verständnis habe jedoch Grenzen. Wer für Grundrechte streite, aber auf Demonstrationen gehe „mit Reichsbürgern, Neonazis und Holocaustleugnern, bei denen Journalisten verprügelt werden“, müsse wissen, in welcher Gesellschaft er sich befinde. Eine „gefährliche Mischung“ nenne er das, da gingen auch jene auf die Straße, die bereits gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung protestiert hätten, so Klingbeil. „Da sind geistige Brandstifter dabei, die das Klima für Übergriffe auf Polizisten und Journalisten schaffen. Sie instrumentalisieren die Coronakrise, um zu spalten und zu hetzen.“ Klingbeil plädiert für den Einsatz des Rechtsstaats: „Wir dürfen uns nicht wegducken aus Angst, solche Gruppen aufzuwerten. Der Verfassungsschutz muss sich genau angucken, was da passiert.“ +++