Putin bestätigt nach Flugzeug-Absturz Tod Prigoschins

Hofreiter sieht Mord als etabliertes Mittel der Herrschaft Putins

Wladimir Putin

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Tod des Chefs der paramilitärischen Organisation Wagner, Jewgeni Prigoschin, am Donnerstagnachmittag bestätigt. Das berichtet die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti. Putin sprach demnach den Familien der Opfer des Flugzeugabsturzes in der Region um die Stadt Twer sein Beileid aus und ging explizit auf die Familie Prigoschins ein. Er lobte den Söldner-Chef als „talentierten Geschäftsmann“, der nicht nur in Russland, sondern insbesondere auch in Afrika erfolgreich gearbeitet habe.

Am Mittwoch waren bei einem Flugzeugabsturz insgesamt zehn Menschen ums Leben gekommen seien. Die Gruppe Wagner hatte seit Jahren im Interesse der russischen Regierung militärische Handlungen durchgeführt, und zuletzt im Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle gespielt. Wagner-Chef Prigoschin hatte die russische Militärführung zunächst über Monate heftig öffentlich kritisiert und den Krieg als sinnlos bezeichnet, im Juni w  ar die Lage dann eskaliert, und Prigoschin mit seiner Truppe gen Moskau marschiert. Unter ungeklärten Umständen wurde der mutmaßliche Putschversuch abgebrochen.

Militärexperte hält Widerstand gegen Putin für möglich

Der Militärexperte Carlo Masala hält es für möglich, dass nach dem mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin weitere Kritiker der russischen Kriegsführung auf den Plan treten. „Es kann sein, dass die Büchse der Pandora geöffnet wurde“, sagte Masala den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). „Möglicherweise gibt es in den nächsten Wochen und Monaten weitere Mitglieder des extrem nationalistischen Flügels, die sich gegen die russische Kriegsführung stellen. Das hängt davon ab, wie der Krieg in der Ukraine verläuft.“ Auf die Frage, was der mutmaßliche Tod Prigoschins für den russischen Präsidenten Wladimir Putin bedeute, antwortete Masala: „Für Putin ist das die Demonstration seiner Macht-Konsolidierung nach der Meuterei vor zwei Monaten. Die Revolte hatte deutliche Risse im Fundament des Systems Putin gezeigt.“ Masala zog eine Verbindung vom mutmaßlichen Absturz der Wagner-Führung zur Absetzung des Luftwaffen-Chefs Sergej Surowik  in und zur Verhaftung des Ultranationalisten Igor Girkin. „Es gab in den letzten Wochen Amtsenthebungen auf der Oberst-Ebene. All dies ist der Versuch Putins, die ultra-nationalistische Gruppe kaltzustellen.“ An Rache-Aktionen der Wagner-Söldner glaubt der Politikwissenschaftler nicht. „Ich halte das für rhetorisches Säbelrasseln der Milizionäre. Die Wagner-Leute, die sich an der Meuterei beteiligt hatten, habe ihre schweren Waffen verloren“, sagte Masala, der an der Universität der Bundeswehr München Internationale Politik lehrt. „Die Söldner, die nach Belarus gingen, verfügen über kein schweres Gerät mehr. Es fehlt schlicht am militärischen Material für eine zweite Meuterei oder einen weiteren Putschversuch.“ Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg sieht Masala nicht: „Der Tod Prigoschins bedeuten für Selenskyj und den Westen überhaupt nichts.“ Die Armee Wagner habe nach der Eroberung der Stadt Bachmut keinerlei Rolle im Ukraine-Krieg gespielt. Nach der gescheiterten Meuterei seien die Wagner-Söldner in der Ukraine dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt worden. „Von daher wird das keine Auswirkungen auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine haben“, so Masala.

Hofreiter sieht Mord als etabliertes Mittel der Herrschaft Putins

Anton Hofreiter (Grüne) wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, Mord als wiederkehrendes Mittel seiner Herrschaft zu benutzen. Der mutmaßliche Tod des Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin reiht sich für Hofreiter ein in eine ganze Kette von politisch motivierten Morden, die Putin in Auftrag gegeben habe, sagte der Politiker am Mittwoch dem TV-Sender „Welt“. „Dass er ermordet worden ist, nachdem ihn Putin öffentlich als Verräter bezeichnet hat, war überhaupt nicht überraschend. Man darf nicht vergessen, dass Putin reihenweise Menschen, die in seinen Augen ihn verraten haben oder sich gegen ihn gestellt haben, hat ermorden lassen. Man denke an den Mord hier im Tiergarten, man denke an die Mordversuche in Großbritannien – und das sind bei Weitem nicht die einzigen.“ Hofreiter erinnerte auch „an die ganzen Manager, die scheinbar aus dem Fenster gefallen sind“ oder an den „Vergiftungsversuch an Nawalny“. Hofreiters Fazit: „Putin ist dafür bekannt  , dass er Leuten, die sich gegen ihn stellen, ermorden lässt.“ Dabei stelle Putin auch Rache über strategisch-politische Interessen, so Hofreiter. Dieser Fall zeige, dass „die Rache an – wie er ihn nannte – Verräter Prigoschin einfach wichtiger war, als zum Beispiel die Operationen, die Wagner in Afrika durchführt.“ Absprachen mit Prigoschin habe Putin gebrochen. Für Hofreiter ist das ein Warnzeichen: „Putin zeigt mal wieder: Er ist Herrscher eines Verbrecherstaates, dessen Wort nichts wert ist.“ Putin zeige damit auch, dass man „nicht eine Sekunde glauben sollte, dass man verlässlich mit ihm verhandeln kann“, so Hofreiter. „Damit sendet er halt auch ein Signal – ich glaube unfreiwillig – an uns, dass es nur zu einem Waffenstillstand in der Ukraine kommen kann, wenn die Ukraine von uns so stark unterstützt wird, dass sie letztendlich aus eigener Kraft es schafft, ihr Land zu befreien.“

SPD hofft nach Tod Prigoschins auf Auseinanderfallen des System Putin

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sieht in dem mutmaßlichen Attentat auf den Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ein Indiz für einen möglichen Zusammenbruch des Systems des russischen Präsidenten Wladimir Putin und damit Anlass für „ein bisschen Optimismus“. „Es würde am Ende nicht verwundern, wenn es am Ende genauso gekommen ist, dass Putin einen seiner ehemaligen Weggefährten weggeräumt hat“, sagte er am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. „Das zeigt, dass der Terror, den das System Putin nach außen macht, auch nach innen wirkt. Und es zeigt deutlich, dass das System von Wladimir Putin Risse bekommt. Es geht nur noch mit brutaler Macht, es geht nur noch mit brutalem Terror“, so Klingbeil. „Wenn es alles so stimmt, wie wir vermuten, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass Putin nicht mehr alles im Griff hat und nicht mehr alles steuern kann. Das gibt ein bisschen Optimismus, dass dort langsa  m dieses System Putin auseinanderfällt.“ Auf eine mögliche und in der Ampelkoalition umstrittene Lieferung von Marschflugkörpern der Marke Taurus an die von Russland angegriffene Ukraine wollte sich der SPD-Vorsitzende nicht festlegen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung zeitnah eine Entscheidung trifft“, sagte er. Aber wie die Entscheidung ausfalle, sei offen. Im Übrigen gelte weiterhin: „Diplomatie und militärische Unterstützung gehören zusammen.“ Insofern seien die jüngsten Friedensgespräche im saudi-arabischen Dschidda und andernorts zu begrüßen, so Klingbeil.

Röttgen wertet Prigoschin-Tod als Zeichen der Schwäche Putins

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wertet den Tod des Chefs der russischen paramilitärischen Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, als Zeichen der Schwäche von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Putins Macht wird dadurch nur scheinbar gestärkt“, sagte Röttgen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wenn Putin einen Mann seines innersten Machtzirkels umbringen lässt, zeigt es, wie chaotisch und gefährdet Putins System der Macht ist.“ Der Westen könne zunächst nur beobachten, „ob und wie die Risse in Putins Herrschaft wachsen“, fügte der CDU-Politiker hinzu. +++