Städtetag offen für weitere Verschärfung des Lockdowns

Wirtschaftsweisen-Chef warnt vor Aktionismus bei Verschärfungen

Städtetagspräsident Burkhard Jung hat sich hinter Überlegungen der Bundesregierung gestellt, die Corona-Schutzvorschriften weiter zu verschärfen. „Der Lockdown hat bisher zu wenig bewirkt“, sagte Jung den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Daher könnten die Beschränkungen nicht gelockert werden. Bei der Bund-Länder-Schalte am Dienstag müsse „überlegt werden, wo die Infektionen herkommen und ob weitere Bereiche in die Beschränkungen einbezogen werden müssen“. Für Schulen und Kitas sehe er „derzeit in der Regel keine Öffnungsperspektive“, fügte Jung hinzu, der auch Leipziger Oberbürgermeister ist. „Wir wissen, dass der Lockdown und eine erneute Verlängerung Familien und Kindern viel abverlangt. Doch auch bei Schulen und Kitas muss darauf geachtet werden, die Kontakte so gering wie möglich zu halten“, sagte er. Die Lage sei weiter sehr ernst, die Zahl der täglichen Toten erschreckend, sagte der Städtetagspräsident. „Und die Corona-Mutationen machen das Infektionsgeschehen noch unberechenbarer.“

Wirtschaftsweisen-Chef warnt vor Aktionismus bei Verschärfungen

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, hat Bund und Länder vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag vor einer Überreaktion bei den Corona-Auflagen gewarnt. „Eine Verlängerung des aktuellen Lockdowns ist wohl unvermeidlich. Aber die Politik muss aufpassen, dass sie nicht in Aktivismus abdriftet“, sagte Feld der „Rheinischen Post“. Die Informationslage über die Infektionen an Weihnachten und Silvester sei weiterhin zu stark eingeschränkt. Es bleibe zudem fraglich, wie sehr sich das mutierte Virus schon verbreitet hat. „Eine Verschärfung des Lockdowns über seine Verlängerung hinaus darf nicht zu einem Problem für die Versorgungslage der Bevölkerung werden. Dies muss vor dem Hintergrund stark ausdifferenzierter Lieferketten gesehen werden“, warnte der Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats der Regierung. Er ist auch Mitglied der Corona-Expertengruppe der Akademie Leopoldina, die das Kanzleramt berät. SPD-Gesundheits experte Karl Lauterbach warb hingegen für einen Strategiewechsel und eine Entscheidung für einen harten Lockdown. „Noch vor der Ministerpräsidentenkonferenz müssen Bund und Länder eine grundlegende Strategieentscheidung treffen, von der sich die Maßnahmen ableiten“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. Es gebe nur zwei Möglichkeiten. „Entweder geht es mit dieser Form des Lockdowns noch mindestens sechs bis acht Wochen weiter, bei 500 bis 1.000 Toten am Tag und einem hohen Risiko, dass sich die Mutation weiter verbreitet“, sagte Lauterbach. Einzelne Verschärfungen wie eine FFP2-Maskenpflicht oder mehr Homeoffice würden das kaum beeinflussen, so der SPD-Politiker. „Deswegen bin ich für die Alternative: einen wirklich harten Lockdown, der aber nicht so lange ginge. Dann wären die Geschäfte und nicht lebenswichtigen Betriebe sowie die Schulen dicht, die Kontaktbeschränkungen würden noch einmal deutlich verschärft“, sagte Lauterbach. Aber nur so könne man die Gefahr durch Mutationen im Griff behalten, indem man schneller auf „beherrschbare Inzidenzwerte“ komme. Fast alle Modellierungsstudien zu dieser Frage kämen zu dem Ergebnis, dass dies jetzt die sichere und bessere Strategie wäre. „Meines Erachtens gilt das wahrscheinlich sogar für die Wirtschaft“, sagte Lauterbach.

Saar-Ministerpräsident schlägt bundesweite Ausgangssperre vor

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag eine Diskussion über verschärfte Corona-Auflagen ohne Tabus gefordert und auch Ausgangssperren ins Gespräch gebracht. „Für die Ministerpräsidentenkonferenz darf es keine Denk- und Diskussionsverbote geben. Dies gilt für das Thema Ausgangssperre, aber auch für die Diskussion um die Arbeit im Homeoffice“, sagte Hans der „Rheinischen Post“. Er sehe beim Homeoffice durchaus noch Nachholbedarf. Das Gleiche gelte für das Tragen der FFP2-Masken. „Dadurch schützt man nicht nur andere, sondern auch sich selbst.“ Deshalb sollte man als Staat dafür sorgen, dass diese Masken überall und unkompliziert allen Bürgern zur Verfügung stünden, sagte der CDU-Politiker. „Mehr Impfen allein verhindert nicht einen weiteren Lockdown. Das zeigt die Situation in Großbritannien und in Israel“, mahnte Hans. Man müsse mehr tun, jeder einzelne sei gefordert, sich verantwortungsvoll zu verhalten, so der Ministerpräsident. Sorge bereite die Virus-Mutation, deren Ausbreitung und Gefährlichkeit wissenschaftlich bislang noch nicht genügend abgeschätzt werden konnte. „Eine Lage mit hohen Corona-Werten und entsprechenden Sorgen und Ängsten in der Bevölkerung, wie derzeit etwa in Großbritannien, darf bei uns nicht entstehen“, mahnte der Christdemokrat. Daher müssten Bund und Länder rechtzeitig handeln, bevor sich das mutierte Virus auch in Deutschland massiv verbreite. „Vor diesem Hintergrund sollten wir eine bundesweit einheitliche Verschärfung der bisherigen Maßnahmen nicht ausschließen.“ Auch in den europäischen Grenzregionen „brauchen wir insbesondere wegen der neuen Varianten des Virus einen europäischen Gleichklang in der Bekämpfung der Epidemie“, sagte Hans.

Pflegebeauftragter gegen Besuchsverbote in Pflegeheimen

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, spricht sich vor dem Hintergrund der Debatte um eine Lockdown-Verschärfung gegen Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen aus. „Natürlich leben in einer stationären Pflegeeinrichtung Menschen, für die eine Covid-19 Erkrankung ein höheres Risiko darstellt, aber Autonomie und Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner dürfen auch jetzt nicht in Frage gestellt werden“, sagte Westerfellhaus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Daher spreche ich mich deutlich gegen kategorische Besuchsverbote aus.“ Westerfellhaus verwies auf eine Handreichung für Besuche in Pflegeeinrichtungen, die er kürzlich vorgelegt hatte. „Die deutliche Kernbotschaft ist: Für Besuche in Pflegeeinrichtungen braucht es das konsequente Einhalten der bekannten AHA+L Regeln: Abstand, Händehygiene, Mund-Nasen-Schutz und Lüften“, so der Beauftragte der Bundesregierung.

GEW lehnt Komplettschließung der Kitas ab

Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, lehnt eine vollständige Schließung der Kitas als Teil eines noch härteren Lockdowns ab. „Einen kompletten Kita-Shutdown sollte es nur im äußersten Notfall geben“, sagte Tepe den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die meisten Bundesländer würden derzeit auf Notbetrieb setzen. Doch schon im Notbetrieb könnten Erzieher ihren pädagogischen Anspruch, die Kinder zu bilden, kaum einlösen. „Die Frage lautet daher: Wie können Gesundheitsschutz, Bildung, Betreuung und Erziehung in den Kitas trotz Corona gelingen“, so Tepe. „Dafür müssen Politik und Träger Konzepte entwickeln.“ Die GEW-Vorsitzende hält eine vollständige Schließung der Kitas auch für „unrealistisch“. Nordrhein-Westfalen und Hamburg hätten bereits angekündigt, dass sie die Kitas nicht komplett schließen werden, so Tepe. „Auch die Erfahrungen aus der Zeit vor Weihnachten sprechen dagegen: Sieben Länder waren im Notbetrieb, allerdings nur zwei im echten Notbetrieb, neun haben mit Appellen gearbeitet, die Kinder nicht in die Kitas zu bringen.“ +++